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     Landessozialgerichte: Angebliche Möglichkeit einer
    „freiwilligen Ausreise“ geduldeter Flüchtlinge kein Kriterium für den
    Ausschluss von Sozialhilfe  
    Nunmehr haben auch die Landessozialgerichte Hamburg,
    Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt klargestellt, dass der übliche
    Verweis der Sozialämter auf die angebliche Möglichkeit einer „freiwilligen
    Ausreise“ geduldeter Flüchtlinge kein Kriterium für den Ausschluss von den
    - nach 36 Monaten Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG zu
    beanspruchenden - höheren Leistungen analog dem Sozialhilferecht (SGB XII)
    darstellen kann. Hierauf weist Georg Classen von
    Berliner Flüchtlingsrat hin.  
    Das LSG Hamburg mache deutlich: „Würde die freiwillige Ausreisemöglichkeit
    bereits dazu führen, dass Analogleistungen ausgeschlossen wären, liefe § 2 AsylbLG leer, denn die Möglichkeit der freiwilligen
    Ausreise besteht - außer im Fall der Einreiseverweigerung des
    (wieder-)aufnehmenden Staates (etwa wegen fehlender Reisedokumente) -
    grundsätzlich immer.“ 
    Die (bloße) Ausnutzung der Rechtsposition einer Duldung sei nicht
    rechtsmissbräuchlich, obwohl damit die Aufenthaltsdauer beeinflusst wird
    (so auch LSG Nds-Bremen L 7 AY 51/05 v. 20.12.05,
    LSG Sachsen L 3 B 
    179/05 AY-ER v. 09.02.06). Ein Absehen von einer Abschiebung seitens der
    Ausländerbehörden dürfe nicht den Betroffenen angelastet und ihnen deswegen
    Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden. 
    Das LSG Hamburg stelle weiter klar, dass nach 36 Monaten - entgegen der
    üblichen Praxis - Leistungen analog SGB XII für Geduldete der Regelfall
    sind: „Nach 36-monatiger Bezugsdauer nach § 3 können die erhöhten
    Leistungen nur noch in wenigen Ausnahmefällen versagt werden, wenn dem
    Leistungsberechtigten ein entsprechendes Fehlverhalten vorgeworfen werden
    kann.“ 
    Zugleich hätten die genannten Gerichte auch die Eilbedürftigkeit
    („Anordnungsgrund“) von Verfahren nach § 2 AsylbLG
    bejaht, so Georg Classen weiter. 
    Sinngemäß ebenso hätten bereits die Landessozialgerichte Niedersachsen,
    Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Sachsen und Bremen (dort das weiter
    zuständige OVG) entschieden. Aus Thüringen lägen erstinstanzliche
    Entscheidungen vor (u.a. SG Nordhausen zu
    geduldeten Irakern). Somit würde die - aktuell leider auch durch den
    „Gemeinschaftskommentar AsylbLG“ gestützte - weit verbreitete gegenteilige
    Behördenpraxis als rechtswidrig gebrandmarkt. 
    Demgegenüber schienen das LSG Bayern sowie das LSG Berlin-Brandenburg -
    anders als die zuvor zuständigen dortigen oberen Verwaltungsgerichte -
    Antragstellern in Sachen § 2 AsylbLG in verfassungsrechtlich fragwürdiger Weise den einstweiligen
    Rechtsschutz zu verweigern. Die genannten Gerichte muteten den Betroffenen
    offenbar eine - rückwirkend
    nicht wieder gut zu machende - jahrelange Leistungsabsenkung bis zu einer
    möglichen Hauptsacheentscheidung zu, was angesichts der in Bayern allgemein
    und in Brandenburg teilweise üblichen Sachleistungen und Einweisung in
    Sammellager, aber auch angesichts der seit 1993 ausgebliebenen Anpassung
    des Leistungsniveaus des § 3 AsylbLG an die Preisentwicklung mehr als problematisch
    erscheint.  
     
    Download: 
    
    Urteil vom Landessozialgericht NRW vom 08.05.2006  
      
    http://www.fluechtlingsrat-nrw.de/2315/index.html 
    
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